Offener Brief an den Vorstand
Sehr geehrter Vorstand des 1. FC Köln e.V.,
sehr geehrte Herren Spinner, Ritterbach und Schumacher,
das Stadion in Müngersdorf ist in seiner mehr als 100-jährigen Geschichte zum magischen Ort für alle FC-Fans geworden. Das Müngersdorfer Stadion zieht die Besucher in seinen Bann und bietet seit Jahrzehnten eine bewährte Bühne für rauschende Fußballfeste.
Dieser Sehnsuchtsort aller FC-Fans darf nur aufgegeben werden, wenn sich dies nach sorgfältiger Prüfung und öffentlicher Diskussion als tatsächlich unvermeidbar erweist und daher dann auch die notwendige Zustimmung der Mitglieder fände.
Alle Mitglieder bewegt die Frage eines Stadionneubaus. Daher wird es für Sie höchste Zeit, in die öffentliche Diskussion einzusteigen und der Öffentlichkeit und insbesondere den FC-Fans erste Antworten auf die drängendsten Fragen zu geben und endlich die Ergebnisse der Standortanalyse zu veröffentlichen.
Bedarf
Sie vertreten die Auffassung, dass ein Stadion mit einer Kapazität von 75.000 zwingend notwendig sei. Eine genaue Begründung ist bisher nicht erkennbar. Sie haben nicht einmal dargelegt, für welche Nutzergruppen (VIP, Stehplätze etc.) welcher Bedarf bestehen soll.
Selbst Sie scheinen zu Recht davon auszugehen, dass ein derart großes Stadion in der Regel nicht ausverkauft sein dürfte. Jeder Stadionbesucher wird Ihnen attestieren, dass es kaum einen größeren Stimmungskiller als halbleere Stadien gibt. Als warnendes Beispiel sei hier nur der überdimensionierte Ausbau des Betzenbergs in Kaiserslautern genannt.
Der Südkurve 1. FC Köln e.V. tritt für die weitere Nutzung des jetzigen Stadions ein. Ein wenig angepasst und modernisiert entspricht unser heutiges Stadion auch in der nahen bis mittleren Zukunft den Bedürfnissen aller Besucher. Ein Festhalten am heutigen Standort stellt das bestmögliche Verhältnis von Risiko und Einnahmemöglichkeiten dar.
Ein wirtschaftlicher und größentechnischer Vergleich mit Clubs spricht gegen Ihren behaupteten Bedarf eines Stadions mit 75.000 Plätzen: Der FC Bayern hat eine Mitglieder-Stadionkapazitätsrate von 3,8 zu 1; Benfica Lissabon von 2,9 zu 1; Barcelona von 1,5 zu 1. Unser FC, welcher noch ein wenig von den Erfolgssphären der genannten Klubs entfernt sein mag, hätte in der Zukunft ein Verhältnis von 1,25 zu 1! Das erscheint in Betracht des sportlichen Rückblicks auf die zurückliegenden drei Jahrzehnte sehr verwegen. Auch in der Premier League gibt es keine so großen Stadien und es sind keine gegenteiligen Planungen für England bekannt. Das sollte uns zu denken geben!
Heute beträgt bei unserem FC das Verhältnis von Mitgliedern zur Kapazität des Stadions bereits 2 zu 1. Das erscheint mehr als ausreichend und in Anbetracht der noch relativ kurzen Lebensdauer dieses wundervollen Fußballstadions gilt dies erst recht. Zumal man berücksichtigen sollte, dass selbst in der letzten und äußerst erfolgreichen Saison Heimspiele beworben werden mussten und gar „aktuell Partnerangebote“ erforderlich sind, um „unattraktivere“ Spiele annähernd oder komplett „ausverkauft“ vermelden zu können.
Wir möchten daher alle Beteiligten aufrufen, für einen Moment inne zu halten und dankbar für das Erreichte zu sein. So war gerade auch das aktuelle Stadion in Müngersdorf und dessen Atmosphäre ein Eckpfeiler für den sportlichen Erfolg und das Mitgliederwachstum auf die unglaubliche Zahl von 100.000 Mitgliedern!
Zahlen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen
Sie begründen den vehement geforderten Stadionneubau mit der von ihm häufig kolportierten „15 Mil. € Umsatzsteigerung“. Diese Behauptung bleibt eine eher nichtssagende Leerformel, solange es keine nachprüfbare Aussagen Ihrerseits zur Finanzierung der erwarteten oder – genauer – nur erhofften Gewinnsteigerung (Zeitpunkt, Höhe, Annahmen) und der Risiken des Projektes gibt.
Im Zusammenhang mit den Zahlen stellen sich ohnehin folgende Fragen: Wie hoch sind die Kostenplanungen für ein Stadion an einem neuen Standort? Wie lautet das geplante Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital? Woher nimmt der Verein das dafür benötigte Eigenkapital? Die Bilanz gibt das nicht her. Außerdem ist das existierende Eigenkapital trotz der erzielten Verbesserungen vergleichsweise gering und letztlich nicht liquide. Woher wollen Sie die Liquidität in Höhe des Eigenkapitalanteils am Stadion nehmen, wenn Spielerverkäufe in großem Rahmen nicht die notwendige Liquidität generieren können? Das Geißbockheim ist nicht verkäuflich und die übrigen (ohnehin geringen) Assets (außer Spielern) dürften bereits zur Abdeckung der bestehenden Darlehen benötigt werden.
Damit kann das notwendige Eigenkapital letztlich nur durch einen Investor beigebracht werden. Ein Neubau bis 2024 (zum Ende des Pachtvertrags) bedingt, dass Sie schon jetzt konkrete Verhandlungen mit Investoren führen müssen, um einen bereits heute unrealistisch engen und preistreibenden Zeitplan halten zu können. Wer wären die potentiellen Investoren? Auch wenn die Namen noch vertraulich bleiben können, so kann von Ihnen zumindest in abstrakter Form dargelegt werden, um welchen Typus von Investoren es sich handelt und aus welchem Land sie stammen. Sollte es noch keine Gespräche mit Investoren geben, wie Sie glauben machen wollen, dann bewegt sich Ihre Planung aufgrund der Zeitnot ohnehin im luftleeren Raum.
Woher kommt das Fremdkapital? Eine Fan-Anleihe dürfte schwer zu platzieren sein, wenn der Stadionneubau nicht von den Fans mitgetragen wird. Welche Sicherheiten kann der Verein stellen? Das Stadion ist nur bei guter Ausnutzung, dass heißt bei sportlichem Erfolg eine gewisse Sicherheit. Daher dürfte der Verein wirtschaftlich (weitgehend) auch keinen „echten“ Immobilienkredit bekommen, sondern dürfte (aufgrund der Risikoaufschläge) vergleichsweise höhere Zinsen zahlen. Sicherheit ist letztlich nur der sehr unsichere Cash-Flow aus dem Stadionbetrieb. Der Zinssatz dürfte also entsprechend hoch sein und mit welcher Höhe rechnen Sie? Gibt es dafür Kreditgeber oder ist der Verein insoweit auf die öffentliche Hand (Kommunalkredite) angewiesen?
Tatsächlich dürfte sich der Gesamtfinanzierungsbedarf wegen der unvermeidbaren Infrastrukturmaßnahmen je nach Konzept auf ca. 400 bis 800 Millionen beziffern. Die Stadt Köln dürfte die Kosten für die Infrastruktur kaum übernehmen wollen und auch haftungsrechtlich nicht können. Schließlich würde der Neubau bei der Stadt eine Investitionsruine in Müngersdorf zurücklassen. Die umliegenden Gemeinden bräuchten für eine eigene Finanzierung die Unterstützung der Landesregierung. Es erscheint zweifelhaft, dass die Landesregierung dies angesichts der damit gleichzeitig bei der Stadt Köln ausgelösten Schäden tun wird.
Wie sieht Ihre Risiko-Nutzen-Analyse aus? Welche Risiken stehen welchem Gewinn gegenüber? Die Tatsache, dass Sie einen Fußballverein führen, bedeutet nicht, dass Sie ein hochriskantes Projekt mit einem mutmaßlich sehr geringen Ertragspotential eingehen dürfen. Welchen Gewinn macht der FC derzeit mit dem Stadion? Um welchen Betrag würde sich der Gewinn bei einem neuen Stadion erhöhen und ab welchem Jahr der Planung?
Wie sind die Risiken in der Planung abgebildet? Die Amortisierung des Stadions bedingt einen Planungszeitraum von mindestens 30 Jahren. Ein Abstieg kann für diesen Zeitraum nie ausgeschlossen werden. Was würde es für die Planung bedeuten, wenn es während dieses Zeitraumes z.B. zu einer permanenten Superliga in Europa käme und die Bundesliga signifikant an Wert und Interesse verlöre?
Planung
Ist der Mitgliederrat in die Planungen involviert? Wie ist die Meinung des Gemeinsamen Ausschusses? Wann werden die konkreten Ergebnisse der Standortanalyse veröffentlicht?
Was zum Beispiel bedeutet der Abzug des FC wirtschaftlich und städtebaulich für Müngersdorf, den Grüngürtel und einen potentiellen neuen Standort? Was sind nach über sechs Monaten der eingehenden Untersuchung und Vorplanung die Ergebnisse der Untersuchungen bezüglich eines alternativen Standortes hinsichtlich der
– Baukosten
– Grundstücksfragen, Kosten und Auflagen, Genehmigungsfähigkeit
– Infrastrukturanpassungen: Inhalt, Kosten, Erstellungsdauer
– rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken
– laufenden Betriebskosten und Kosten für die Instandhaltung
– Genehmigungszeiträume, Verzögerungsrisiken infolge von Prozessen etc.
Dankbarkeit
Warum suchen die Verantwortlichen nicht mit den eigenen Fans und der Stadt Köln den Schulterschluss, um einen Erhalt des Standortes Müngersdorf nachhaltig zu ermöglichen? Dieses Stadion war in den Phasen der Zweitklassigkeit maßgeblich für das Überleben unseres Vereins verantwortlich. Die verringerten Mietaufwendungen und die konstante Nachfrage nach Eintrittskarten in einem der stimmungsvollsten Zweitligastadien der Welt waren in schlechten Zeiten immer unser Faustpfand. Warum will man diese Faktoren aufs Spiel setzen?
Der 1.FC Köln ist untrennbarer Teil der Stadt Köln. Als von der Stadt Köln und ihren Bürgern von Beginn an unterstütztem gemeinnützigem Verein hat der 1. FC Köln auch die Pflicht, auf die Interessen der Stadt und deren Bürgern Rücksicht zu nehmen. Wie vertragen sich die Werte unseres Vereins mit Ihrem Ansatz, ein neues Stadion zu bauen und die Stadt auf einer Investitionsruine im Wert von mindestens 50 Millionen sitzen zu lassen? Der Neubau eines Stadions führt zudem zur Insolvenz der Sportstätten-GmbH mit entsprechenden Nachteilen für die Stadt und dessen Sportvereinen, von deren Arbeit in Teilen auch unser Verein in Form von Nachwuchsspielern profitiert. Sie stehen einem gemeinnützigen Verein und nicht einem rein privaten oder rein profitorientiertem Profiklub vor. Wie gedenken Sie mit dieser Verantwortung umzugehen?
Ruhig… ganz ruhig…
In Betracht des Status Quo – in Betracht unseres Fußballstadions mitten im Grüngürtel Kölns – täten wir alle gut daran für einen „kurzen“ Moment, vielleicht auch ein oder zwei Saisons, inne zu halten. Demütig zu betrachten, was sich Großes in den letzten 15 Jahren für und um unseren Verein mit Hilfe des neu gebauten Stadions in Müngersdorf entwickelt hat.
Wir fordern alle Verantwortlichen dazu auf, sich eben jener Verantwortung gegenüber unserem Verein bewusst zu werden und Antworten auf die genannten Fragen zu geben, bevor der Stadionstandort Müngersdorf überhaupt nur ernsthaft zur Diskussion gestellt wird.
Mit freundlichen Grüßen,
Südkurve 1. FC Köln e.V.