26.04.2017

Stellungnahme zum AfD-Spruchband

von Coloniacs in Nachrichten, Spruchbänder


Am letzten Freitag haben wir im Müngersdorfer Stadion das Spruchband „Heute für den FC, morgen gegen die AfD“ gezeigt und uns damit deutlich in die Reihen des Protests gegen den in Köln stattfindenden AfD-Bundesparteitag gestellt. Dies machten wir aus unserem Selbstverständnis als der Demokratie verpflichtete Gruppe mit einem antidiskriminierenden Verständnis heraus. Die AfD vertritt Positionen, die Menschen ungleich machen. Sie ist rassistisch, homophob und sexistisch und befeuert mit ihrem Populismus eine rückwärtsgewandte Politik und Nationalismus. Die AfD ist Gift für das politische Klima in Deutschland und ein Feind demokratischer Verhältnisse.

Was uns im Nachgang der Demonstrationen und des Spiels erstaunt, ist das offene Anfeinden unserer Gruppe für das „politische“ Spruchband und der mangelnde Willen einer kritischen Auseinandersetzung mit der „Alternative für Deutschland“. Uns wird vorgeworfen, wir würden Politik ins Stadion tragen, obwohl diese dort nichts verloren hat. Wir sehen das seit mittlerweile über sieben Jahren anders und empfinden Sport und Politik als untrennbar verwoben. Das Stadion mit seinen Zuschauern ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und überall wo sich Menschen begegnen, sind politische Themen von Bedeutung. Wir wissen, dass es neben Kritikern auch Menschen gibt, die im Stadion ähnliche Meinungen vertreten wie wir und sich über unsere Positionierung freuen. Die Teilnahme am Protest auf Kölns Straßen war in unseren Augen überschaubar. Die Bereitschaft sich den verstörenden Parolen der AfD entgegen zu stellen, war gering. Dies ist jedoch in Teilen auch auf die Strategie der Kölner Polizei zurückzuführen, die über Wochen unverhältnismäßige Panikmache betrieb und ein Horrorszenario auf Kölns Straßen herbei beschwor.

Ja, wir haben Probleme und Sorgen in Deutschland, wie auch Menschen in vielen anderen Teilen der Welt. Armut und Arbeitslosigkeit. Länder, Städte, Regionen und Stadtteile, die sich abgehängt fühlen. Ein erstarkender Nationalismus und Protektionismus. Extremistischen und religiösen Fundamentalismus, der in Terrorismus mündet. Ein Gefühl von Unsicherheit, was die Zukunft bringt, wie es uns, unseren Kindern und Kindeskindern ergehen wird. Den Menschen wie auch uns selbst können wir die Sorgen nicht nehmen, aber wir alle müssen an ihnen arbeiten, über Lösungen streiten und debattieren. Dass es Lösungen gibt, zeigt unsere Geschichte und die der europäischen Einigung.

In unserer komplexen Welt gibt es aber keine einfachen Antworten und Lösungen wie „Wir zuerst“. Wenn man das Ganze einfach mal in seinen Gedanken durchspielt, merkt man doch schnell, wo die Hindernisse sind. Wir haben in unserer Geschichte so viel erreicht, leben seit Generationen Frieden in Europa. Von einer Erbfeindschaft zwischen Deutschland und Frankreich redet niemand mehr. Wir reisen ohne Grenzkontrollen oder Visa durch unseren Kontinent und die halbe Welt (hoffentlich eines Tages auch wieder mit dem FC). Wir verlieben uns in Menschen aus anderen Kulturen. Wir lassen uns Essen schmecken, das unsere Großeltern nicht kannten. Wir feiern Feste und genießen Bier, Spirituosen und Wein aus der ganzen Welt. Wir haben Freunde, Kollegen und Verwandte aus Frankreich, Italien, Persien, der Türkei, Israel, Polen, China, Amerika und Russland.

Jede einzelne der einfachen Forderungen und Parolen der AfD lässt sich doch locker widerlegen, wenn wir alle uns nur umschauen in unserem Freundes- und Bekanntenkreis. Nicht jeder Muslim trachtet uns nach dem Leben. Unsere Städte sind sicher, wie auch die Stadien. Kriminell sind nicht nur Migranten, sondern auch deutsche Präsidenten von Fußballvereinen und Manager von deutschen Automobilkonzernen. Und aus Geldgier werden vermeintlich Bomben neben Bussen von Fußballvereinen gezündet. Es ist leider nicht so einfach, wie wir oder die lustigen Nachrichten und Kommentare bei Facebook es manchmal gerne hätten.

Wir alle müssen wieder zu einen Wir zurückfinden, dabei aber akzeptieren, dass wir unterschiedlich sind, dass wir unterschiedliche Herkünfte, Auffassungen, Sorgen und Meinungen haben. Wir müssen aber einander zuhören und nicht von oben herab schreien, dann wird’s nur lauter und unschöner, wie es auch der FC am Freitag mit seinen Ansagen in Richtung Dietmar-Hopp-Schmähgesänge zu spüren bekam. Politik muss wieder erklärender und zugänglicher werden. Lasst uns wieder mehr über den Tellerrand blicken, nicht nur in die Ferne sondern auch zu unserem Nachbarn, dem netten türkischen Büdchen-Verkäufer, der alten Frau aus dem dritten Stock, dem Obdachlosen vor dem Supermarkt, dem italienischen Bankangestellten, dem polnischen Kollegen auf der Arbeit und der geflüchteten Familie aus Syrien im Heim drei Blocks weiter. Es sollte in unser aller Interesse sein, ein vergiftetes gesellschaftliches Klima nicht weiter gedeihen zu lassen. Lasst uns reden, erklären und handeln, Kompromisse finden zwischen einzelnen Lagern. Sonst fahren wir alle gegen die Wand!

Coloniacs im April 2017