Erlebnisbericht aus Karlsruhe
Erlebnisbericht zu den Geschehnissen beim Auswärtsspiel in Karlsruhe
Der Großteil der aktiven Fanszene des 1. FC Köln reiste am Samstag, 5. Oktober 2013 mit Zügen des Nahverkehrs zum Auswärtsspiel nach Karlsruhe. Dort angekommen wurden die etwa 300 FC-Fans mittels Polizeikette zu den Shuttlebussen geleitet, die bereits im Bahnhofsaußenbereich bereit standen. Man begab sich aufgrund des nahenden Spielbeginns (es waren noch ca. 45 Minuten bis zum Anpfiff) umgehend zu den Bussen. In diesem Bereich wurden vorab, offenbar von den hiesigen Entscheidungsträgern der Sicherheitsbehörden Mülltonnen aufgestellt, die nicht gerade für einen störungsfreien Ablauf beitrugen, da sie im ohnehin schon eingeengten Bereich noch mehr Platz wegnahmen und den FC-Fans als Hindernis im Weg standen. Aufgrund der von hinten drückenden Masse kam es kurzzeitig zu unruhigen Situationen und Pfeffersprayeinsatz durch die im vorderen Bereich stehenden Polizeibeamten. Relativ schnell wurde die Situation von einigen führenden Personen der Fanszene beruhigt. Der erste bereitstehende Bus, in dem schon einzelne FC-Fans längere Zeit ihren Platz eingenommen hatten, wurde vornehmlich durch Mitglieder der Gruppen Wilde Horde und Boyz Köln inklusive deren Fahnen aufgefüllt. Nachdem der erste Bus losfuhr, wurde dort im hinteren Bereich kurzzeitig eine Tür geöffnet, was zur Folge hatte das besagter Bus nach wenigen gefahrenen Metern auf Zuruf eines leitenden Polizisten anhalten musste. Als einige FC-Fans aus diesem für einen kurzen Moment ausstiegen, wurde diesen Personen von den anrückenden Polizisten die Ansage erteilt sofort wieder einzusteigen, ansonsten würde der gesamte Bus zur Polizeiwache gebracht. Die FC-Fans stiegen daraufhin wieder ein, die Türe wurde geschlossen und der Bus konnte ohne weitere Zwischenfälle los fahren. Währenddessen begab sich auch der restlichen Teil der am Bahnhof wartenden FC-Fans in die bereitgestellten Busse. Diese fuhren kurz darauf zum Stadion. Nachdem diese Busse am Gästeblock ankamen, erhielten die eintreffenden FC-Fans die Nachricht, dass der erste Bus, entgegen der Aussagen der Beamten, am Karlsruher Bahnhof zu einer Polizeiwache gefahren wurde.
Keine Fanmaterialien – Fehlende Mitglieder der Fangruppen
Diese Nachricht erreichte kurzerhand die bereits am Gästeblock eingetroffenen Fans. Man entschloss sich das Stadion so lange nicht zu betreten bis die auf der Polizeiwache weilenden Fans das Stadion erreichen. In den folgenden Minuten wurde der Bereich vor dem Gästeblock sowie auch die Stadiontore von den Sicherheitsorganen abgesperrt. Weitere eintreffende FC-Fans wurden zeitweise nicht ins Stadion gelassen. Unterdessen erfuhr man parallel, dass die Insassen des zur Wache gefahrenen Busses von den dortigen Beamten abgefilmt wurden. Danach wurde optisch und willkürlich nach persönlichen Beurteilungsmaßstäben der Polizei zwischen diesen selektiert und anschließend wurden 28 Personen inklusive Fanmaterialien bis zum Ende des FC-Spiels in Gewahrsam genommen. Zwar durfte der größere Teil der FC-Fans die Polizeiwache wieder verlassen. Es stellt sich jedoch die Frage warum 28 Personen in Gewahrsam bleiben mussten, nur weil eine Tür an besagtem Bus geöffnet wurde. Die Anreise der FC-Fans lief bis zur Ankunft an den Shuttlebussen friedlich und entspannt ab. Dies können verschiedene FC-Fans die mit der Bahn angereist sind bestätigen. Wir fragen uns ob Maßnahmen, wie das Aufstellen von Mülltonnen, die am Karlsruher Bahnhofsbereich eher hinderlich im Weg standen als das sie zur Abfallentsorgung dienten sowie der Einlass von FC-Fans ausschließlich an der ersten Bustüre Sinn machen. Warum hat die Polizei die Fans nicht direkt in alle drei Türen der Busse gelassen um den Vorgang zu beschleunigen und die Situation zu entschärfen?
Endgültiges Fernbleiben vom Spiel
Nun war für den Großteil der aktiven Fanszene klar, dass man das Spiel leider verpassen würde und so versuchte man vor Ort eine Regelung zu finden wie man wieder zum Bahnhof kommen kann, um die in Gewahrsam genommenen Personen dort wieder anzutreffen. Bis kurz vor der Halbzeit verging nun eine Weile ohne Vorkommnisse. Kurz vor dem Pausenpfiff kam es dann jedoch im Umlauf des Stadioninneren zu Konfliktsituationen mit der Polizei, die sich am Zaun positionierte. Daraufhin flogen Flaschen vom Außenbereich in das Stadion auf die Beamten. Ein sinnloses Verhalten, welches von den Vorsängern mit Durchsagen letztendlich unterbunden werden konnte. Parallel dazu solidarisierten sich viele Gästefans im inneren Bereich des Stadions mit der Fangruppe die vor dem Stadion stand. Nachdem die Polizei den inneren Umlauf des Stadions zu Beginn der 2. Halbzeit verließ, stiegen die Fans nun in die zur Verfügung gestellten Shuttlebusse und fuhren zurück zum Karlsruher Hauptbahnhof. Nach Eintreffen der Personen, die während des Spiels in Gewahrsam waren, trat man die Rückreise nach Köln an. Parallel zu den von uns geschilderten Ereignissen kam es, nach unserem derzeitigen Kenntnisstand, offenbar vor und nach dem Spiel im Stadionumlauf ebenfalls zu mehreren Konfliktsituationen mit der Polizei, die wir an dieser Stelle aber nicht weiter kommentieren möchten.
Rückfahrt
Auf der Rückfahrt wurde man, anders als auf der Hinfahrt, von der Bundespolizei begleitet. Diese wurde an einem Halt kurz vor Mainz durch die Berliner Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit (BFE) ausgetauscht. Die ohnehin nicht gerade freundliche Behandlungsart seitens der Polizei an diesem Tag verschlechterte sich nun weiterhin. In Mainz wurde der Bahnhof abgesperrt und eine Polizeikette für alle FC-Fans bis zum Gleis gezogen ab dem der weiterführende Zug nach Köln fahren sollte. Als der Zug in Richtung Köln mit zwei Waggons von Mainz aus völlig überfüllt losfuhr, konnten verschiedene FC-Fans sich bereits deutliche Provokationen von Seiten der BFE anhören. Eine halbe Stunde später kam es im zweiten Waggon zur Konfrontation mit den Beamten, als diese zu einem FC-Fan wollten, der geraucht hatte. Auf dem Rückweg prügelten sich die Polizisten durch den Gang des ohnehin schon überfüllten Zuges und hegten dabei keinerlei Scheu den Zeitpunkt auszunutzen, um selbst gemäßigten FC-Fans, die lediglich die Situation beruhigen wollten, ins Gesicht oder in die Rippen zu schlagen. Hierbei wurde ein FC-Fan so schwer verletzt, dass er blutüberströmt von den Beamten nach draußen geführt, und nach Feststellung seiner Personalien mit dem Hinweis eines Beamten, dass er sich auf eine Anzeige freuen darf, mit dem Schienenersatzverkehr Richtung Heimat gebracht wurde. Nur durch abermaliges Intervenieren von führenden Personen der Fanszene konnte die Gesamtlage nach einiger Zeit entschärft werden. Dies änderte jedoch nichts daran, dass der Zug nun an einem Bahnhof in Bingen-Gaulsheim Halt machte und Polizisten der BFE aus dem ersten Waggon ihren Kollegen zur Hilfe eilten. Dadurch kam es zu weiteren Geschehnissen die das Verhältnis von Fußballfans zur Polizei nicht gerade verbessern werden. Die ersten Fragen einiger FC-Fans, warum es nicht weiter gehe und ob man kurz den Zug verlassen könne, wurden von den Polizisten der BFE mit ungewohnt feindseligen Reaktionen erwidert, während ein Abteil im ersten Wagen nun komplett von der Polizei abgeriegelt wurde.
Hier zwei Beispiele der Aussagen von Beamten der BFE:
„Beim nächsten Mal schmeißt ihr die Flaschen lieber direkt auf uns und nicht auf andere wehrlose Polizisten“ (BFE-Beamter pro-aktiv zu einem FC-Fan während des Zugaufenthalts)
„Dass wir kein Bock auf reden haben, solltet ihr gemerkt haben, wir können das auch gerne anders klären“ (BFE-Beamter zu einem FC-Fan nach zwei Stunden Zugaufenthalt auf die Frage was das ganze hier soll)
Nach einiger Zeit durften FC-Fans vereinzelt aus dem Zug aussteigen und konnten sich dadurch erstmalig ein Bild von der Lage machen, nachdem man von der Polizei keinerlei Infos erhielt. Die Straße am Bahnhof war bereits mit polizeilichen Fahrzeugen zugestellt, die Einsatzkräfte der BFE zogen eine Grenze zwischen dem ersten und den zweiten Waggon und es wurde ein Bereich für einen Polizeikessel neben dem Gleis eingerichtet. Nun wurden alle FC-Fans im abgesperrten Bereich des ersten Waggons sowie punktuell FC-Fans aus dem zweiten Waggon von der Polizei zur Identitätsfeststellung, teilweise unter massiver Gewaltanwendung, in den Regen gezerrt und abgefilmt. Fragen der FC-Fans, die diese Maßnahme beobachten konnten, waren dabei von der BFE genauso unerwünscht, wie das Nennen Ihrer Personalnummer. Insgesamt 4 Stunden sollte der Zug in Bingen-Gaulsheim stehen. In dieser Zeit mussten die FC-Fans neben den erwähnten Maßnahmen Provokationen einzelner BFE-Beamten ertragen und durften teilweise, je nach Lust und Laune des an der Zugtüre stehenden Beamten, weder zum Urinieren noch aus anderen Gründen aus dem Zug aussteigen. Erst nach über zwei Stunden erhielten die Ansprechpartner der Fans halbwegs vernünftige Antworten von einem Beamten der BFE. Im Dialog mit einem durch die BFE herbei gerufenen Staatsanwalt konnte zumindest erwirkt werden, dass die mittlerweile über 70 abgefilmten Personen nicht auch noch über Nacht in Gewahrsam mussten. Nachdem der Polizeikessel im Außenbereich wieder aufgehoben wurde, die Maßnahmen der BFE zur Identitätsfeststellung dieser Personen ein Ende fanden und alle FC-Fans wieder in den Zug zurück konnten, fuhr dieser auf direktem Wege und ohne weitere Vorkommnisse nach Köln. Die Ankündigung eines BFE-Beamten, dass wir „es in Köln richtig kriegen“ wurde von der noch im gesamten Kölner Hauptbahnhof positionierten Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit nicht in die Tat umgesetzt.
Fazit
Wir wundern uns weder über die generelle Begleitung von Fußballfans durch die Polizei noch über die grundsätzliche Haltung der Staatsmacht das die Umstände beim Fußball keine rechtsfreien Räume legitimieren können. Allerdings stellt sich ein weiteres Mal, und dies so massiv wie schon lange nicht mehr, die Frage nach der Verhältnismäßigkeit der verschiedenen polizeilichen Einsätze an diesem Samstag. Wenn wir das alljährlich in Köln stattfindende Reggae Festival „Summerjam“ als Beispiel nehmen, wird auch der Festivalbereich rund um den Fühlinger See wohl kaum von den dort eingesetzten Polizeibeamten als rechtsfreier Ort betrachtet. Schwer vorstellbar ist es trotzdem, das man an einem voll besetzten Summerjam-Wochenendtag mit der BFE durch das Festivalgelände zieht und jeden gewaltsam nach draußen zerrt, der in Verdacht gerät einen Joint geraucht zu haben. Unabhängig der Tatsache, dass sich auch oder vielleicht sogar insbesondere die Polizei nicht in rechtsfreien Räumen bewegen sollte, gibt es auch Beispiele polizeilicher Begleitung/Behandlung bei Auswärtsspielen (Gastspiel 1.FC Köln in Regensburg, Oktober 2012), bei denen es den Beamten durch Fingerspitzengefühl gelang, dass alle Beteiligten eine entspannte Atmosphäre rund um ein Fußballspiel genießen konnten. Es geht also auch durchaus anders als am 5. Oktober. Für uns stellt sich die Frage ob solch ein Tag nicht hätte anders verlaufen können? Mehr Zurückhaltung der Polizei bei Ankunft hätte den Ablauf eines ganzen Tages möglicherweise schon ganz anders beeinflusst. So bleibt die naheliegende Vermutung, dass eine Polizeieinheit auf dem Rückweg Rache für vermeintliches Fehlverhalten einzelner FC-Fans walten ließ. Was folgt werden geschönte Berichte der Polizei sein. Man wird auf den Beweisvideos nur Fehlverhalten der Fans einsehen können. Die Polizei wird größtenteils mit einer weißen Weste aus dieser Nummer herauskommen und nicht wenige Fans müssen sich möglicherweise mit Stadionverboten und Anzeigen auseinandersetzen. Innerhalb der letzten 15 Monate gab es bis auf einen Vorfall auf der Rückfahrt vom Gastspiel in Paderborn nahezu keine Konflikte zwischen FC-Fans und der Polizei bei Auswärtsspielen. Wir sind nicht bereit, die gesamten Vorfälle des 5. Oktober ohne Reaktion hinzunehmen. In enger Absprache mit dem 1. FC Köln und allen FC-Fanclubs und FC-Fans, die bei den Geschehnissen vor Ort waren, möchten wir versuchen die Vorfälle ehrlich aufzuarbeiten. Wir werden noch in den nächsten Tagen gesondert zu diesem Bericht zum Thema Polizeieinsätze aktiv werden.
Dieser Bericht wurde in Absprache mit mehreren Fanclubs der aktiven Fanszene des 1. FC Köln erstellt.