09.11.2012

20 Jahre »Arsch huh – Zäng ussenander!«

von Coloniacs in Nachrichten


Am heutigen 9. November jährt sich das legendäre Konzert »Arsch huh – Zäng ussenander!« des Jahres 1992 zum 20. Mal. Parallel zum Heimspiel gegen den MSV Duisburg findet am Abend in der Deutzer Werft eine Neuauflage des Konzertes statt. Aus diesem Anlass dokumentieren wir auf unserer Homepage das Statement 2012 von »Arsch huh – Zäng ussenander!«, welchem wir um inhaltlich sehr verbunden fühlen:

Statement 2012
Gegen Neonazis, Rassismus und Ausgrenzung für eine solidarische Stadtgesellschaft

9. November 1992:

Es ist die größte Demonstration in Köln seit Kriegsende. 100.000 Kölnerinnen und Kölner versammeln sich zum Protest gegen Neonazis und Rassismus auf dem Chlodwigplatz. Die Kundgebung findet statt vor dem Hintergrund einer Welle ausländerfeindlicher Gewalttaten im noch jungen vereinten Deutschland der frühen 1990er. Aufgerufen zum Protest hatte ein Zusammenschluss Kölner Musiker unter dem Motto „Arsch huh, Zäng Ussenander“, Titel des zentralen Songs, den alle gemeinsam eigens für die Veranstaltung eingespielt haben.

Mit der Demonstration geht ein Ruck durch die Stadt und die Region. Überall entstehen neue Projekte und Initiativen, die das Zusammenleben zwischen Deutschen und Ausländern verbessern wollen und der »rechten Gewalt« den Kampf ansagen. Aber die Musiker, die zum Protest aufgerufen hatten, wollen mehr als nur ein Zeichen setzen. Sie gründen einen Verein und engagieren sich in den folgenden Jahren in ungezählten Einzelaktionen, Benefizkonzerten, Podiumsdiskussionen für die Völkerverständigung, leisten Aufklärungsarbeit in Schulen und unterstützen die Arbeit gegen Rechtsradikale. Um ihre Aktivitäten auf ein solides Fundament zu stellen und die Arbeit nachhaltig zu gestalten, laden die Musiker im Dezember 1993 400 Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Kultur zum stadtpolitischen Kongress »173 Völker – Eine Stadt« ein. Die Tagung mit dem Bielefelder Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Wilhelm Heitmeyer hat das Ziel Lösungsansätze für ein besseres Zusammenleben zwischen Deutschen und Nicht-deutschen zu finden.

Was ist daraus geworden?

In den vergangenen 20 Jahren hat die Frage nach Rassismus und Diskriminierung von Schwachen in unserer Gesellschaft nichts von ihrer Relevanz verloren. Immer wieder zeigen sich die Nazis völlig unverhohlen – auch hier bei uns in Köln. Ihre populistische Ausgabe in Gestalt von ProKöln schafft es immer wieder, Plätze im Kölner Stadtrat zu besetzen. Sie waren es auch, die mit der Moschee-Frage den Versuch unternahmen, unsere Stadtgesellschaft weiter zu spalten. Auch gibt es seit einigen Monaten die traurige Gewissheit, dass Neonazis bereit sind mit mörderischer Gewalt ihre Ideologie in die Tat umzusetzen. Der Anschlag in der Keupstraße brachte die Spur dieses Terrors auch nach Köln.

Am erschreckendsten ist aber sicherlich, dass dieses menschenverachtende Gedankengut weiterhin die Lufthoheit über den deutschen Stammtischen hat. 20 Jahre nach den ersten Brandanschlägen gegen Flüchtlingsheime ist »Fremdenfeindlichkeit« in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Die neueste Studie Wilhelm Heitmeyers liefert ernüchternde Zahlen: 50% der Deutschen sind einer repräsentativen Befragung zufolge der Ansicht Deutschland sei »in gefährlichem Maße überfremdet.« Dieser Trend wird dadurch verschärft, dass nicht nur der Ton gegen die Ausgegrenzten schärfer wird, sondern auch die Bereitschaft wächst, gegen sie »auf die Straße zu gehen« oder gar Gewalt zu billigen oder selbst auszuüben. Am 20. Jahrestag von Arsch huh, Zäng Ussenander gibt es also keinen Grund zu Feiern. Es kann nur ein Tag des Protests sein.

Doch wie würde unsere Gesellschaft heute aussehen, wenn es nicht eine Vielzahl von Einzelpersonen und Initiativen in Deutschland gäbe, die immer wieder für Toleranz und ein friedliches Zusammenleben gekämpft haben? So wollen die Musiker und Künstler der AG Arsch huh den Jahrestag auch nutzen, um sich bei all denen zu bedanken, die sich in den letzten Jahren für die gemeinsamen Ziele engagiert haben und bestärken weiter für diese Ziele einzutreten.

Aber Heitmeyers aktuelle Studie »Deutsch Zustände« aus dem Jahr 2011 zeigt auch, das Eintreten für eine gerechte und solidarische Stadtgesellschaft mehr bedeutet als sich nur gegen Rassismus zu wenden. Zu den gesellschaftlichen Verlierern gehören vor allem die Armen in unserer Stadt, von denen es immer mehr gibt: Ob Langzeitarbeitslose oder Hartz-IV-Empfänger, Obdachlose oder Asylanten. Die Benachteiligung der Schwächeren ist auch immer die Benachteiligung der »Fremden«. Wir richten uns gegen das soziale Auseinanderbrechen unserer Stadtgesellschaft.

Am 9. November 2012 heißt es deshalb »Arsch huh – Zäng ussenander« gegen Neonazis, Rassismus und Ausgrenzung für eine solidarische Stadtgesellschaft.