20.08.2009

Die schwarze Wand steht hinter Dir

von Coloniacs in Kallendresser #01

Schwarze Wand
Momentaufnahme: Freitag, 06. 03. 2009. Auswärts auf Schalke. Freitagabend, Flutlicht. Uns gegenüber steht die Wand aus Schalke-Fans, jede Menge Trikots und Kutten, alles leuchtet in Blau und Weiß. Und mittendrin, hinterm Tor der Block der Ultras und deren Anhängsel. Warum man das so genau sehen kann? Weil mitten in der erwähnten blau-weißen Wand ein klar abgegrenzter schwarzer Block steht. Das Banner ist eigentlich überflüssig, aus ungefähr einem Kilometer Entfernung könnte man sehen, wo genau sich der Ultrà-Mob aufhält. Sieht etwas seltsam aus dieser Fleck in der blauen Wand. Gehört Ihr nicht dazu, oder warum präsentiert Ihr nicht Eure eigenen Farben? Seid Ihr nicht Schalke? Offensichtlich ist den Jungs da drüben das poserhaft-böse Auftreten als Black Block wichtiger, als den Verein und seine Farben zu repräsentieren.

Dann aber die bedrückende Erkenntnis: Bei uns sieht es nicht anders aus. Im Bereich des harten Kerns, im Bereich der Ultras, in unserem Bereich sind ganze zwei rote Hoodies zu zählen. Der Rest hat als Ausgehgarderobe für heute Abend Schwarz oder Grau gewählt, und für einen Schal hatten die meisten offensichtlich auch keinen Platz mehr. Ist ja auch irgendwie unpraktisch so’n Teil. Wahrscheinlich sieht unser Block aus Sicht der Schalker genauso langweilig aus wie der ihre. Traurig aber wahr: Dieser Vergleich lässt sich wohl auf jedes Spiel der letzten Saison anwenden – mit der wohltuenden Ausnahme Hoffenheim, als ein Großteil der Szene in Trikots zum Auswärtsspiel fuhr und den Block in Rot und Weiß erstrahlen ließ.

Beim Durchblättern von »Erlebnis Fußball« und »Blickfang Ultra« fällt es noch mehr auf: Mobfotos sind quasi komplett austauschbar. Ob die Jungs in Schwarz, die da gerade posieren oder pöbelnd auf ’m Zaun hängen, nun Frankfurt, Gladbach oder Köln sind, ist kaum zu erkennen. Hier und da blitzt vielleicht noch mal ein Doppelhalter mit dem Vereinswappen oder in Vereinsfarben durch, ansonsten muss man die Bildunterschrift bemühen, um zu erfahren, welche Szene sich hier gerade präsentiert. Überall das gleiche Bild: schwarze Flexcap, schwarzer Hoody und Sonnenbrille. Schwarz. Der Autonomen Schick hat die deutsche Ultràszene fest im Griff.

Dass die aktiven Fans kaum noch Trikots tragen, ist ja schon relativ lange der Fall und hat sicher auch gute Gründe. Die Dinger sind einfach total überteuert, voll Werbung und jeder kann sein kreatives Potential auch besser entfalten, wenn die eigenen Klamotten selber gestaltet werden. So weit, so gut.

Als nächster Schritt ist es nun aber soweit gekommen, dass die Leute noch nicht mal mehr Gruppenklamotten oder Schals mitnehmen, wenn es auswärts geht. »Zivil« ist angesagt, Black Block allez! Gruppen und Vereinsfarben sind oftmals nur noch auf Tifomaterial vertreten.

Was ist also passiert, dass sich diese Mode deutschlandweit bei allen Szenen durchgesetzt hat? Nun, zunächst mal ist es wohl genau das – eine Mode. Selbst die Idioten von Rechtsaußen kopieren ja mittlerweile den Antifa-Style 1:1. Dazu hat dieses Auftreten als »Schwarzer Block« ja auch gewisse Vorteile. Einheitliche Kleidung schafft das Gefühl von Zugehörigkeit und von Macht. Man ist Teil der Szene, man ist »dabei«. Dazu ist es für die Schmier schwerer, einzelne Leute zu identifizieren, wenn alle Leute das gleiche anhaben. Übrigens ist genau das der Grund, weshalb das Konzept der »Schwarzen Blocks« in den 70ern entwickelt wurde. Dazu ist es relativ leicht, sich zu vermummen – was ja auch manchmal nötig sein soll… Und nicht zu vergessen: Der schwarze Block schafft auch ein gewisses aggressives Aussehen, ein bedrohliches Auftreten, eine gefährliche Stimmung. Frei nach dem Motto: Hey, wenn Ihr Euch mit uns anlegt, könnt Ihr sicher sein, eine Antwort zu bekommen.

Die Nachteile? Erst einmal sind alle deutschen Ultràszenen vom Aussehen her komplett austauschbar. Individualität, Kreativität, das Stehen zu den Vereins- und Gruppenfarben? Fehlanzeige. Dazu diese unsägliche Heuchelei: Wir regen uns auf, wenn die Mannschaftstrikots nicht den Vereinsfarben entsprechen, wir malen Banner, auf denen was von einer »roten Wand« zu lesen ist, ja wir singen sogar davon, dass diese hinter dem FC steht. Aber die Umsetzung bei uns selber bleibt aus. Eigentlich müssten wir dann wenigstens konsequent in die andere Richtung sein und was von einer schwarzen Wand singen. Aber da hat natürlich auch keiner Lust drauf.

Darum: Lasst uns doch endlich zu dem stehen, was wir verkünden! Lasst uns die rote Wand bilden, lasst uns zu unseren Farben stehen! Wir könnten uns wohltuend abheben vom dem Einheitsschick der anderen Szenen, vielleicht können wir sogar Vorreiter für einen neuen Trend sein. Und wenn nicht – scheißt drauf! Lasst uns anders sein! Wir behaupten doch immer, dass wir was Besonderes sind. Lasst uns einzigartig und nicht austauschbar sein, auf dass jeder direkt sieht, mit wem er es zu tun hat, und nicht erst nach einem Fähnchen oder Doppelhalter mit Logos suchen muss! Wir sind Köln. Rot und Weiß sind die Farben unserer Stadt, die Farben unseres geliebten Vereins! Lasst sie uns präsentieren!

All die angeführten Vorteile eines »Black Blocks« lassen sich genauso in einem »Red Block« verwirklichen. Hoodies, T-Shirts und Flexcaps gib es auch in rot, Ninjas lassen sich produzieren, und der FC bietet in seinem Fanshop jetzt sogar ein Multifunktionstuch mit dem schönen Namen »Fan-Tube« an. Rote Vermummung mit Vereinswappen, offiziell abgesegnet vom FC, für 12 Euro. Der Weg ins Glück könnte so einfach sein.