Aufgrund der aktuellen Ereignisse rund um die Fanszene in Köln sehen wir uns gezwungen, uns zu Wort zu melden. Wenngleich wir direkt zu Beginn äußern wollen, dass auch wir als Gruppe in erster Linie sehr verunsichert sind, uns in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden, und sich eine klare Positionierung als sehr schwer erweist. Es liegt uns fern die Vorfälle rund um unser Gastspiel in Sinsheim zu bagatellisieren, dennoch müssen wir die darauffolgenden Reaktionen ebenso deutlich kritisieren. Wir bitten dies bei den folgenden Sätzen zu berücksichtigen.
Zu Beginn sollte klargestellt werden, dass wir als Gruppe die Vorfälle nach dem Hoffenheimspiel – sofern sie sich tatsächlich so abgespielt haben, wie aktuell in der Öffentlichkeit dargestellt – in aller Deutlichkeit kritisieren und ablehnen, auch da sie in keiner Weise unserem Gruppenverständnis von Ultrà entsprechen. Hier scheint es zu Grenzüberschreitungen gekommen zu sein, die uns als Ultras ob möglicher Konsequenzen der Aktion sehr nachdenklich stimmen.
Ebenso und dennoch richtet sich unsere Kritik neben der an die vermeintlichen Täter an folgende Institutionen:
Polizei: Offenbar gelangten von der Kölner Polizei Namen aus internen Ermittlungsakten an die Presse, wie es in der Vergangenheit schon häufiger der Fall war. (siehe dazu aktuell: Illegale Informationsweitergabe an Journalisten nicht hinnehmbar) Außerdem verurteilen wir die gezielte Stimmungsmache in der Öffentlichkeit: Hier scheint die Kölner Polizei einen endgültigen Konfrontationskurs zu der Ultrà-Gruppe »Wilde Horde 1996« zu fahren. Die nach der Razzia präsentierten Gegenstände dienten in unseren Augen dazu, ein düsteres Bild einer gewaltsuchenden Vereinigung zu zeichnen und die gesamte »Wilde Horde« zu diskreditieren. Dass dazu inzwischen Abtönfarben, Sturmhauben, weiche Drogen und Softairpistolen reichen, erschreckt uns sehr. Zudem ist es für uns fraglich, inwiefern sich ein kausaler Zusammenhang zwischen den gefundenen Materialien und dem Vorfall auf dem Rastplatz herstellen lässt.
Presse: Die zurecht berichtende und kritisch hinterfragende Presse möchten wir darauf aufmerksam machen, dass auch sie dem Pressekodex des Deutschen Presserats verpflichtet ist. Dort heißt es unter Ziffer 13: »Unschuldsvermutung – Die Berichterstattung über Ermittlungsverfahren, Strafverfahren und sonstige förmliche Verfahren muss frei von Vorurteilen erfolgen. Der Grundsatz der Unschuldsvermutung gilt auch für die Presse.« Wir raten den Betroffenen, hier juristische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Auch sollte sich die Presse selbstkritisch hinterfragen, ob sie sich nicht zum Spielball von Interessen einer einzelnen Partei gemacht hat. Der naive Umgang mit den von der Polizei präsentierten »Beweismaterialien« sei hier nur exemplarisch genannt.
Verein: Dass der 1. FC Köln sich auch aufgrund des medialen Drucks zum Handeln genötigt sah, können wir nachvollziehen. Es ist klar, dass man als Verein hier zu klaren Aussagen und massivem Vorgehen gezwungen wurde. Dieses Vorgehen kann hart, aber es muss dabei immer fair sein! Demnach verurteilen wir in aller Deutlichkeit die gegenüber allen Tatverdächtigen ausgesprochenen Stadionverbote und eingeleiteten Vereinsausschlussverfahren, die das Grundprinzip der Unschuldsvermutung untergraben und bloße Vorverurteilungen darstellen. Auch der Entzug des Fanclubstatus der »Wilden Horde« entspricht nicht unserem Rechtsverständnis. Dies haben wir so auch Vereinsvertretern vor dem Heimspiel gegen die Hertha aus Berlin mitgeteilt.
Da wir wie schon oben erwähnt zu dem Zeitpunkt des letzten Heimspiels noch Schwierigkeiten hatten, die Faktenlage zu sortieren, entschieden wir uns, unsere Zaunfahne normal aufzuhängen, unsere Stimmbänder schwingen zu lassen, aber zumindest auf den optischen Support in Form von Fahnen zu verzichten. Zu unsicher war uns die Lage im Allgemeinen. Nachdem in einem zweiten Schritt in der Folgewoche mit der »Wilden Horde« ein ganzer Fanclub durch den Verein voreilig abgestraft wurde, haben wir den Entschluss gefasst, als Zeichen unser Ablehnung von Vorverurteilungen und Kollektivbestrafungen zunächst unser Banner bei Heim- und Auswärtsspielen falsch herum aufzuhängen. Ob und wie sich einzelne Mitglieder unserer Gruppe aktiv am Support des FC beteiligen werden, überlassen wir dem Gemütszustand jedes oder jeder einzelnen. Auf den Einsatz von Fahnen werden wir zunächst aber ebenfalls verzichten.
Gerade in dieser Situation, wo von außen versucht wird, die Kölner Fans zu spalten und gegeneinander auszuspielen, ist es wichtig, dass wir als FC-Familie zusammenhalten und die vorgefallenen Dinge kritisch hinterfragen und aufarbeiten – sowohl die Aktionen auf dem Rastplatz als auch die Reaktionen der Polizei, der Presse und leider auch unseres Vereins.
Bliev Jeck – Bliev Ultrà!
Coloniacs – Ultrà 1. FC Köln