08.09.2013

Bundestagswahl 2013 – Junge Union

von Coloniacs in Nachrichten


Weiter geht es mit unserem Fragenkatalog an die Jugendorganisationen der fünf, im Bundestag vertretenen, Parteien. Dieses mal beantworteten uns die Fragen der sportpolitische Sprecher, Lukas Krieger, und der rechtspolitische Sprecher, Ingmar Dathe, der Jungen Union Deutschlands.

Coloniacs: In Ägypten, in der Türkei und auch in Deutschland hat sich gezeigt, dass Ultras nicht nur Krawallmacher sondern in hohem Maße auch politisierte und politisierende Menschen sind. Wie sehen Sie Ultras im Zusammenhang mit diesen „Freiheitskämpfen“? Welchen Beitrag leisten Ultras Ihrer Meinung nach zu unserer Gesellschaft?

Lukas Krieger: Der Mut und das Engagement der Ultras in Ägypten und der Türkei im Kampf für Demokratie und Freiheit nötigen uns natürlich größten Respekt ab. Allerdings lässt sich das nicht mit den Verhältnissen hier in Deutschland vergleichen. In unserem Land kann jeder seine Meinung frei äußern und gemeinsam für eine Sache demonstrieren, ohne extreme staatliche Repressionen fürchten zu müssen. Allerdings gibt es natürlich auch in Deutschland Probleme, die alle gesellschaftlichen Gruppen angehen müssen und viele Ultras auch tatsächlich angehen. Neben dem ständigen Einstehen gegen rassistische, extremistische oder homophobe Äußerungen betrifft das beispielsweise auch soziale Probleme. Nicht nur das Thema gleiche Teilhabe für alle an Fußballspielen, welche sich gegen die zu hohen Ticketpreise wehren. Viele Ultras engagieren sich auch über den Fußball hinaus für die Gesellschaft. Bei mir, bei der Hertha BSC, organisieren die Ultras seit Jahren die Aktion „Spendet Becher – Rettet Leben“, den Pfand der Becher spenden Sie dann an unterschiedliche soziale Einrichtungen, unter anderem an das „Berliner Herz“. Im nächsten Jahr wird das “Berliner Herz” ein Kindertages- und Nachthospiz eröffnen, wofür noch dringend Gelder benötigt werden. Hier helfen die Ultras. Das ist lediglich ein Beispiel, zeigt aber, dass Ultras in vielen Bereichen für zentrale gesellschaftliche Aufgaben einstehen.

Coloniacs: Erkennen Sie aus Ihrer Perspektive zentrale Werte, die die Ultràkultur vertritt? Wenn ja, welche sind das?

Ingmar Dathe: Alle Ultrabewegungen einigt grundsätzlich die Liebe und Treue für den eigenen Verein und die hierfür gemeinsam organisierte Unterstützung! Darüber hinaus stehen auch viele Ultras, leider nicht alle, gegen die unterschiedlichen Formen von Menschenverachtung ein oder positionieren sich kritisch zu Fehlentwicklungen im Fußball aber auch in der Gesellschaft.

Coloniacs: Es ist Spieltag, der FC tritt in Hamburg an! Eigentlich eine gute Gelegenheit eine der schönsten Städte Deutschlands zu erkunden, wäre man nicht zahlreichen Repressalien ausgesetzt. Es ist fast unmöglich sich frei zu bewegen, ohne handfeste Konflikte mit der Polizei auszulösen. Sind diese Einschränkungen für Sie akzeptabel? Wie sind diese zu rechtfertigen? Werden durch solche Maßnahmen nicht tausende Fußballfans unter einen Generalverdacht gestellt?

Lukas Krieger: Ich war in Hamburg nicht vor Ort und kann mir da im Einzelnen auch keine Beurteilung erlauben. Ich möchte auch nicht in eine allgemeine Polizeikritik einstimmen. Aber auch ich habe schon häufig Polizeieinsätze als übertrieben empfunden. Etwa wenn man von der Polizei quasi vom Bahnhof zum Stadion zurückbegleitet wird und keinerlei Möglichkeit hat, diesen Tross zu verlassen. Ich denke, dass manchmal ein bisschen mehr Zurückhaltung und mehr Deeskalation sinnvoller wären. Manchmal fühlt man sich tatsächlich als Schwerverbrecher, obwohl man nur ein Fußballspiel besuchen möchte. Es bleibt bei der Losung „Fußballfans sind keine Verbrecher!“

Coloniacs: Dass die Polizei nicht gerade zimperlich beim Durchsetzen Ihrer Interessen (oder der Interessen der Politik) ist, haben Stuttgart 21 und die Blockupy Proteste gezeigt. Für uns als Fußballfans gehört der Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken durch die Polizei zum Standardrepertoire bei vielen Auswärtsspielen. Wann kommt die bundesweite Kennzeichnungspflicht für Polizisten? Setzen Sie sich dafür ein? Warum / Warum nicht?

Ingmar Dathe: Zunächst einmal halte nicht viel von einer allgemeinen Polizistenschelte. Ein Gros der Polizeikräfte macht, selbst unter schwierigsten Bedingungen und hohem Druck, eine gute Arbeit. Genauso wenig wie jeder Fan ein Krimineller ist, ist jeder Polizist ein Schläger! Das muss man auch mal durch die Fanbrille erkennen und sagen können. Klar ist aber auch, dass wenn es zu Überschreitungen durch Polizeikräfte kommt, dass in einem demokratischen Rechtsstaat aufgeklärt werden muss und der Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden muss. Da gibt es keine zwei Meinungen!
Darüber hinaus sollten grundsätzlich alle Polizeieinsätze im Umfeld von Fußballspielen, vielleicht mehr als bisher, unter Beteiligung aller Betroffenen kritisch hinterfragt werden.
Zum Thema Kennzeichnungspflicht für Polizisten gibt es unserem Verband unterschiedliche Auffassungen, aber noch keinen endgültigen Beschluss. Ich persönlich spreche mich für eine Kennzeichnungspflicht aus, damit ein eventuelles Fehlverhalten auch rechtsstaatlich nachgewiesen werden kann. Allerdings muss der jeweilige Beamte selbst entscheiden dürfen, ob er sich anonym mit einer Nummer oder mit seinem Klarnamen kennzeichnen lassen möchte. Auch muss vermieden werden, dass durch die Kennzeichnungspflicht gezielten zur Hetzjagd auf einzelne Polizeikräfte aufgerufen wird.

Coloniacs: Zusätzlich wird immer wieder die Forderung nach einer finanziellen Beteiligung der Vereine an den Einsatzkosten laut. Ist das mit gültigem Deutschen Recht vereinbar? Besteht die Notwendigkeit einer solchen Beteiligung?

Lukas Krieger: Klar und deutlich: Wir als Junge Union Deutschlands lehnen jede Beteiligung der Vereine für die Einsatzkosten der Polizei ab! Zum einen ist zu bedenken, dass Vereine und Fans schon als Unternehmen und Bürger durch die allgemeine Steuerbelastung nicht zu knapp die öffentliche Kasse mit finanzieren und damit auch für die öffentliche Sicherheit zahlen. Außerdem bringen Sportliche Großereignisse wie Fußballspiele auch viel zusätzliches Geld ins Land, bzw. die Stadt. Zum anderen halten wir eine Kostenübernahmepflicht für eine unzulässige Verzerrung des fairen sportlichen Wettbewerbs. Daher sollte, wie nach geltender Rechtslage, ausschließlich Staat die Kosten tragen müssen.

Coloniacs: Die Stadionverbotsproblematik wurde aus rechtlicher Perspektive bereits ausreichend beleuchtet. Grundsätzlich stellt sich jedoch die Frage, ob Stadionverbote ein probates Mittel zur Problemlösung sind. Unsere These: Stadionverbote verlagern die Probleme lediglich vor die Tore der Stadien. Wie stehen Sie dazu? Welche Alternativen sehen Sie zu Stadionverboten? In welcher Form setzen Sie sich für eine Durchsetzung solcher alternativer Wege ein?

Ingmar Dathe: Zeitlich begrenzte Stadionverbote halten wir grundsätzlich für ein probates Mittel. Ein Verein muss nicht jedes Fehlverhalten tatenlos dulden müssen. Außerdem ist es manchmal vielleicht auch für den Betroffenen vorteilhaft, wenn er sich erstmal „abkühlen“ und über sein Verhalten nachdenken kann. Allerdings möchte ich betonen, das die mitunter gelebte Praxis, jemanden nur aufgrund des (unbegründeten?) Verdachts für drei Jahre aus dem Stadion zu verbannen und damit aus seiner Fancommunity rauszureißen, für uns nicht hinnehmbar ist! Stadionverbote sollten grundsätzlich nur nach einem fairen und rechtsstaatlichen Verfahren erteilt werden dürfen. Darüber hinaus sollte durch präventive Maßnahmen aber auch durch eine Art „Selbstregulierung unter den Fans“ die Notwendigkeit für Stadionverbote zurückgedrängt werden. Wenn alle gemeinsam für bestimmte Werte eintreten, können auch Ausfallserscheinungen wie Rassismus, Extremismus oder Homophobie weiter zurückgedrängt werden. Stadionverbote dürfen nur das letzte Mittel sein! Ansonsten freuen wir uns aber auch über weitere Anregungen und Ideen von Euch!

Coloniacs: Mehrere Medien berichteten in der Vergangenheit über V-Männer in der Fußballfanszene. Unserer Ansicht nach eine total überzogene und äußerst diskussionswürdige Maßnahme. Benötigen wir V-Männer Ihrer Meinung nach in der Fußballfanszene? Warum / Warum nicht? Stellt der Verfassungsschutz einen Teil von Fußballfans mit solch einer Handlung auf eine Stufe mit Hells Angels und NSU? Haben sich V-Leute nicht bereits mehrfach als ungeeignet erwiesen? Wie stehen Sie zu einer generellen Abschaffung von V-Leuten?

Lukas Krieger: Klar ist, dass eine regelmäßige oder gar flächendeckende Überwachung von Fangruppen ohne Wenn und Aber abzulehnen ist. Klar ist auch, dass der Einsatz von V-Leuten in Stadien in der Vergangenheit nicht immer verhältnismäßig erschien und auch kritisch hinterfragt werden muss. Allerdings sollten wir bei aller gebotenen Vorsicht nicht grundsätzlich auf das Mittel verzichten, da wir es zur Bekämpfung von Kriminalität brauchen. In Stadien kann ich mir allerdings nur wenige Ausnahmekonstellationen (z.B. rechtsextreme Unterwanderung einer bestimmten Fanszene) vorstellen, in denen der Einsatz von V-Leuten gerechtfertigt erscheint.

Coloniacs: Sie sprechen sich für / gegen die finanzielle Förderung von sozialpädagogischen Fanprojekten aus? Warum?

Ingmar Dathe: Wir setzen uns mit großen Nachdruck für mehr Mittel für präventive Maßnahmen wie pädagogische Fanprojekte aus. Den richtigen Träger vorausgesetzt, eröffnen Fanprojekte nicht nur, aber gerade jungen Fans aus sozial benachteiligten Schichten, viele Möglichkeiten, sich gewaltfrei zu engagieren und ihren Verein zu unterstützen. Darüber hinaus werden häufig auch noch wichtige Werte wie Verantwortungsbewusstsein und Zusammenhalt vermittelt und Ausfallserscheinungen wie Rassismus, Extremismus oder Homophobie aktiv bekämpft.

Coloniacs: In einer großangelegten Kampagne, „Pyrotechnik legalisieren – Emotionen respektieren“ haben sich deutschlandweit Fußballfans für ein kontrolliertes Abbrennen von Pyrotechnik eingesetzt und eine nicht erahnte Dialogbereitschaft gezeigt. Welche Meinung vertreten Sie zum kontrollierten Abbrennen von Pyrotechnik in deutschen Fankurven?

Lukas Krieger: Hierzu gibt es im Verband unterschiedliche Auffassungen. Einige lehnen jede Form von Pyrotechnik ab, andere hingegen können sich eine Legalisierung unter bestimmten Umständen vorstellen. Ich persönlich, spreche mich offen für die Legalisierung von Pyrotechnik aus, wenn sichergestellt wird, dass hierdurch Dritte nicht gefährdet werden. Neben einer Trennung der „Pyrozone“ und einem hinreichenden Luftabzug, muss daher für die entsprechenden Löschmittel gesorgt werden. Außerdem sollten nur namentlich bekannte, bzw. dem Veranstalter benannte, und mit dem Einsatz von Feuerwerkskörpern vertraute Personen Pyrotechnik anzünden dürfen. Leider bin ich mit dieser Position auf unserm zweitwichtigsten Beschlussgremium, dem Deutschlandrat der Jungen Union, knapp unterlegen, sodass wir keine offizielle Position zu diesem Thema haben.

Coloniacs: Fanbündnisse wie ProFans, Fanmedia und BAFF erregen selten bundesweite Aufmerksamkeit. Bei anderen Interessenverbänden ist das offensichtlich anders. Woran liegt das? Wie stehen Sie grundsätzlich zur Arbeit von Fanbündnissen?

Ingmar Dathe: Die Gründe hierfür sind sicherlich vielschichtig. Gerade in der jüngeren Vergangenheit war es vermutlich auch sehr schwierig mit den richtigen und wichtigen Fanforderungen durchzudringen, da gewisse Massenmedien sehr einseitig und verzerrt über die Fanszene berichtet haben. Umso wichtiger ist aus unserer Sicht die Arbeit von Fanbündnissen, die über Aktionen wie im Rahmen von 12:12 auf Fanprobleme aufmerksam machen oder in Diskussion mit den entscheidenden Gremien Faninteressen durchsetzen. Wir als Junge Union konnten uns selbst unter anderem mit Vertretern von »Unsere Kurve« austauschen und auf diese Weise von den reichhaltigen Erfahrungen von Fanbündnissen profitieren. Für die Zukunft würden wir uns wünschen, dass demokratisch gewählte Fanvertretungen mehr Einfluss im Verein aber auch bei DFL und DFB erhalten würden.

Coloniacs: Zum Abschluss ein paar Fragen/Aussagen, die sich in Kurzform beantworten/ergänzen lassen:

- Hat der Fußball ein Gewaltproblem?

Nicht mehr und nicht weniger als bei anderen gesellschaftliche Großveranstaltung auch! Man sollte daher Gewalt im Fußball wachsam im Auge behalten, insbesondere wenn extremistische Tendenzen sich abzeichnen, aber man darf es auch nicht dramatisieren. Auf keinen Fall dürfen die Fans, wie häufig, pauschal als Kriminelle abgestempelt werden.

- Fankultur ist für uns schützenswert weil,…

gerade die kreativen Choreographien, das Singen unserer Vereinslieder und das gemeinsame Zusammenstehen den Stadionbesuch erst zu einem Erlebnis werden lassen. Ohne Fans, wie die Ultras, herrscht keine Stimmung im Stadion.

- Ultras sind wichtiger Bestandteil einer intakten Gesellschaft und Fankultur weil,…

… sie den Besuch im Stadion Woche für Woche zu einem Erlebnis machen und zeigen, dass es sich lohnt für eine gemeinsame Sache einzustehen. Ultras sind ein Ort der kreativen Entfaltung und des ehrenamtlichen Engagements weit über den Fußball hinaus.

- Bietet Deutschland momentan ausreichend Freiraum zur Entfaltung von Subkulturen?

Klares Ja. Auch wenn es vieles zu verbessern gilt, Leben wir doch in einer freiesten Gesellschaften der Menschheitsgeschichte.

- Subkulturen sind wichtig, weil…

… sie Ausdruck unserer menschlichen Vielfalt sind. Individualismus, auch in Gemeinschaft ist für die Junge Union immer ein wichtiges Thema.